»Langeweile? eMailen und Chatten mit AOL und Internet.«
Kann »das Interaktive« der Spaßfaktor bei Kunst im Netz sein?
Ich denke, es ist nicht »das Interaktive«, sondern das »Interagieren« – nämlich mit realen anderen Menschen. Deshalb der Erfolg der Chats und Foren und Mailinglisten. Deshalb aber auch der Mißerfolg interaktiver Kunstwerke, wo ich als User mit einem Automat spielen soll und mit mir selbst.... !
Schaut man bloß auf die Werke, findet man wahrscheinlich keine »Internetliteratur« in dem, was hier so herumkreist: die verschiedenen Gemeinschaftsprojekte, die Weiterreichtexte, Kollektiv-Stories und Sammlungen. Immer ist der Einwand richtig: das könnte man auch auf Papier machen....
Und doch: man kann es NICHT auf Papier machen. Nicht mit DIESEN Menschen, die wir uns im Netz getroffen haben - und mit Anderen in der Printwelt oder lokal im Kreativ Schreib-Workshop wäre es etwas ganz anderes!
Ich vermute, daß der Prozeß zwischen Menschen (verteilten Systemen ;-) der Kick ist und die spezifische Form der Zeit-Nutzung (remote feedback) - Also ginge es darum, gemeinsam kreativ zu sein. Das ist leider im Web nicht leicht, weil es schwer ist, einen Leitgedanken für ein gemeinsames »Schaffen« von solcher Leuchtkraft zu entfalten, daß mehrere dem auch folgen und ihre eigene Interpretation/Weiterentwicklung in einer Form beitragen, die die Anderen nicht negiert, sondern bereichert.
Claudia Klinger, am 11.11.97 in der Mailingliste Netzliteratur
»Die British Library startet ein Mega-Projekt: Alle Briten sind aufgerufen, den morgigen Dienstag in einem Blog zu dokumentieren. Die Aktion soll künftigen Generationen einen Einblick in unseren Alltag bieten - ›je profaner, desto besser‹.«
Keine schlechte Idee, aber vor allem: keine neue! »Ein Tag in einem Leben«? »Profan«? Das ist 23:40 par excellence! Das können Sie auch, liebe Leser außerhalb des Commonwealth ;) – und wie! Ganz anders nämlich.
Seit 16.10. läuft »Phase II« des kollektiven Gedächtnisses »23:40«. Hierfür gilt:
Für jede Minute des Tages gilt es einen Beitrag zu verfassen – oder abzurufen. An diesen Beitrag kann sich das kollektive Gedächtnis später nur zur entsprechenden Uhrzeit erinnern! So soll »ein Tag in vieler Leben« entstehen - nicht an einem Tag gesammelt allerdings, dazu ist 23:40 nicht bekannt genug. Wir sammeln in »Phase II« Ihren Tag eine Weile lang zusammen – vielleicht eine Woche lang, aber maximal bis Ende des Jahres.
Anders als in »Phase I« werden nach Abschluss der Phase alle eingehenden Beiträge je Uhrzeit berücksichtigt. Sie können also auch Beiträge für Uhrzeiten einreichen, zu denen bereits andere Beiträge eingereicht wurden. Je mehr Erinnerungen zu einer Uhrzeit vorliegen werden, umso schwieriger wird es natürlich werden, diese später in Echtzeit zu lesen – anders: sich an alles zu erinnern.
Sie müssen Ihren Beitrag einer Minute zuordnen, mit der der Beitrag auch etwas zu tun haben muss: Bestenfalls handelt Ihr ganzer Beitrag nur in eben dieser Minute. Anderenfalls beschreibt die gewählte Minute zum Beispiel Anfang oder Ende Ihres Beitrags. Wenn Sie beschreiben, wie Sie morgens um 3:12 aufgewacht sind, ordnen Sie den Beitrag vielleicht der Uhrzeit 3:12 zu. Um nur ein sehr profanes Beispiel von all den Dingen zu nennen, die so Ihren ganz normal alltäglichen Wahnsinn ausmachen.
Nur reale Beschreibungen Ihres Alltags. Keine Poesie, keine Lyrik, keine Fiktion. Dafür gibt es Phase I des Projekts. In »Phase II« eben bitte nicht »Kinder, wie die Zeit vergeht!« phrasieren oder »Wat soll der Quatsch???« oder »Gibt es Zeitgleichheit? Ist überall ›Jetzt‹, wenn es bei mir Jetzt ist? Und wann überhaupt ist jetzt?« philosophieren. Sondern Ihren Alltag beschreiben, bitte schön.
Warum erscheinen die Beiträge nicht sofort? – Also gut, zugegeben: ich kann mir nur zu gut vorstellen, dass es genug Irre gibt, von denen ich nicht wissen möchte, wie sie ihren Tag verbringen. Ich werde also die im Netz übliche inakzeptable Nazi-, Porno- und auch nur die einfache Spam-Hirnwichse ausfiltern.
Aus dem letzten Punkt folgert unweigerlich, dass natürlich niemand irgendeine Art von Recht auf Veröffentlichung seines Beitrags/seiner Beiträge hat.
Und noch eins: »Je profaner, desto besser«
Bleibt nur noch zu hoffen, dass dieser Aufruf nicht unerhört bleibt. Geben wir dem Alltag Zucker, machen wir ihm Feuer unter dem Hintern!
Guido Grigat, 16.10.2006
Einführung
»Wäre es nicht schön, wenn hier immer Kaffee drin wäre, wenn man ihn braucht?«
»Wäre es schon, aber ist das Leben immer toll und schön?«
»Und ewig grüßt dein Murmeltier...
dreiundzwanzigvierzig – macht deine Zeit zur Ewigkeit
Willkommen bei dreiundzwanzigvierzig!
Was ist dreiundzwanzigvierzig? dreiundzwanzigvierzig – das Gedächtnis.
dreiundzwanzigvierzig – Der Platz für die einzigartigen und eigenartigen Momente im Leben.
Erinnerungen bewahren – einfrieren für die Ewigkeit.
Und wenn nur ein Moment, eine Minute in Ihrem Leben bemerkenswert ist, hier ist der Platz, an dem er zur Erinnerung der Menschheit wird.
24 Stunden bieten Raum für 1440 ganz persönliche Gedenkminuten.
Setzen Sie Ihre persönlichen Gedenksteine im virtuellen Raum der Zeit... oder ziehen Sie still den Hut vor dem, was für Andere wesentlich ist.« (Der Poet, am 24.12.98)
Was steht auf den Zigarettenschachteln und Bierdeckeln der Nacht? Was huscht durch die Köpfe der an Ampeln zum Innehalten Verdammten? Was geschah... und was geschieht immer wieder... wann?
Welche Erinnerungen haben Sie an bestimmte Zeitpunkte?
...und die anderen?
Finden Sie es heraus!
Halten Sie es fest!
Aber lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn Sie am Anfang nicht fündig werden! Auf das kollektive Gedächtnis des Projekts dreiundzwanzigvierzig wird automatisch in Minutenabständen zugegriffen, aber nicht zu jeder Minute liegt bereits eine Erinnerung vor. Es kann also etwas dauern, bis Sie auf eine Erinnerung stoßen. Dieses Projekt ist durchaus so ausgelegt, dass Sie immer wieder mal hierher zurückkehren, um Ihr Glück zu versuchen.
Versuchen Sie doch einmal, bereits existierende Erzählstränge zu verfolgen, die sich quer über das Zifferblatt des Projekts legen. Einige Gesichter des Projekts: Die »Gen-Tomate«, das »Bundeskanzleramt«, das Protokoll der »13 Telefonate«, die »U-Bahn-Fahrten in Berlin«...
Je mehr Menschen hier mitmachen, umso erfolgreicher wird Ihr Besuch hier sein... Nutzen Sie doch Pausen, während Sie online sind, um hier herein zu schauen, und steigern Sie Ihre Chance, indem Sie selbst mit eigenen Beiträgen dabei sind!